Dienstag, 6. November 2012

Rezension: Die Höllenmeute von El Diablo

Neal Chadwick "Die Höllenmeute von El Diablo"
amazon Kindle eBook € 2,68


Für gut geschriebene Western bin ich durchaus zu haben. Das vorliegende Werk wirkte auf mich wie ein ungeübter Erstlingsroman. Nach dem Lesen recherchierte ich jedoch zum Autor und musste feststellen, dass es sich um einen erfahrenen Vielschreiber handelt, der seit vielen Jahren und unter einer Unzahl von Pseudonymen Trivialliteratur produziert. Dafür war das Ergebnis eindeutig zu mager.
Vor allem kreide ich dem Autor Unlogik beziehungsweise Unglaubwürdigkeit an. Den Einstieg bildet ein Dialog in einer Postkutsche, die gleich darauf überfallen werden wird, wobei alle Insassen sterben. Das Gespräch ist nicht 19. Jahrhundert – weder Thema noch Wortwahl sind zeitgemäß authentisch. Absurd ist, dass eine schwangere junge Frau die beschwerliche und langwierige Reise mit der Postkutsche auf sich genommen hat, um in Tucson einen Arzt zu konsultieren. Frauen reisten damals nicht allein, es sei denn, sie waren Abenteurerinnen. Schwangerschaft und die rumpelnde, holpernde Postkutsche sind eine gefährliche Kombination. Damals war das Kinderkriegen noch eine lebensgefährliche Angelegenheit, und man setzte sich nicht mutwillig Gefahren aus. Man konsultierte eher eine Hebamme, ersatzweise ältere, erfahrene Frauen aus dem Umfeld. Ärzte hatten weder das Ansehen noch den Kenntnisstand wie heute – will sagen, in „Frauendingen“ waren sie ziemlich unbedarft; zumindest war ihr Image so.

Dem Sheriff des Städtchens Jefferson, John Read, wird der Überfall gemeldet und er trommelt einige Männer zusammen, um die Banditen zu verfolgen. Zuerst suchen sie aber den Farmer Bill Coburn auf, dessen Frau in der Postkutsche war. So verschenken sie wertvolle Zeit, denn die Raubmörder sind auf dem Weg nach Mexiko, wo der Arm des US-Gesetzes sie nicht mehr erreichen kann. Die Rächer erreichen zwar trotzdem das Lager der Outlaws, aber der Kopf der Bande, „El Diablo“, entkommt. (Kein Wunder, denn statt des obligatorischen Entwaffnens und Fesselns diskutiert der Sheriff erst einmal eine Runde mit dem Anführer). Read und Coburn verfolgen ihn bis Mexiko, während die anderen Männer die Gefangenen nach Jefferson bringen und sich (endlich!) um die Toten des Überfalls kümmern sollen.
Hier möchte ich einschieben, dass der Sheriff nicht wert ist, seinen Stern zu tragen, und ihn auch von Rechts wegen verlieren müsste, denn er hat für Ordnung in seinem County zu sorgen und nicht durch die Weltgeschichte zu reiten.
Sehr hübsch, aber reittechnisch unmöglich, die Szene, wie der Bandido entkommt: „El Diablo war ein hervorragender Reiter. Selbst ohne Sattel. Er ließ sich seitlich an dem Tier herabhängen und benutzte es als Deckung. Gleichzeitig gab er dem Tier die Sporen.“ Möglicherweise hat dieser Supergangster, wie ein Gecko, Haftlamellen an den Füßen? Oder klebt er sich mit Geduld und Spucke an den glatten, galoppierenden Pferdekörper? Solche Schnitzer findet man an mehreren Stellen. Verwundete reiten fröhlich tagelang durch die Gegend, als gäbe es keinen Wundbrand. Die Guten werden im Bleiregen nicht nass, während sie selbst pro Schuss einen Mann töten etc., etc. Dem Autor scheint das Unrealistische seiner Ausgeburt wurscht zu sein.
Abgesehen von den inhaltlichen Mängeln ist „Höllenmeute“ anschaulich, bildhaft und spannend geschrieben. Die Grammatik ist makellos, einige wenige Ungeschicklichkeiten in Wortwahl und Orthografie kann man nachsehen. Aufgefallen ist mir noch, dass recht häufig, und ohne dass es dem Text geschuldet wäre, Absätze nur aus einem halbzeiligen Satz bestehen. Trotzdem hat es der Autor nur auf geschätzte 89 Seiten gebracht (Angabe von amazon.de) – halb soviel wie ein durchschnittliches Romanheft. Und die haben zudem in der Regel eine bessere Qualität.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen