Sonntag, 16. Dezember 2012

Verachtet nicht die Unterhaltungsliteratur!

Heute beschäftige ich mich mit zwei eBooks im Stil von Heftromanen, und zwar als Empfehlung für leichte, unkomplizierte Unterhaltung. Als Vertreter dieses missachteten, jedoch qualitativ nicht unbedingt schlechten Genres habe ich einen Western und eine Spukgeschichte ausgesucht. Sie sind handwerklich hochwertiger als die Werke mancher Arrogantlinge, die sich für Autoren ausgeben und über Trivialliteratur die Nase rümpfen.

Dirk Bongardt "Wer den Bullen reizt"

aus der Reihe Al Lobo Wolfson-Chroniken

amazon Kindle eBook

€ 1,39

http://www.amazon.de/Bullen-reizt-Western-Reihe-Wolfson-Chroniken-ebook/dp/B006L9NSBC/ref=cm_cr_pr_product_top

"Wer den Bullen reizt" ist das fünfte der Al-Lobo-Bücher. Oder sollte man Hefte sagen? Es handelt sich ja um einen Western im Stil von Romanheften; und auch bei den Heftromanen gibt es durchaus ausgezeichnet geschriebene Repräsentanten. Jeder einzelne Band hat eine in sich geschlossene Handlung.
Dirk Bongardt scheint mit seiner ersten deutschen Western-Reihe exklusiv für den amazon Kindle den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Jedoch ist sein Erfolg kein Zufall, denn Bongardt ist ein routinierter Schreiber.  Sein Stil ist gut lesbar und unterhaltsam; er ist zwar nicht von Hochspannung, aber wohldosierter Spannung geprägt. Der günstige Preis tut ein Übriges.

Thomas Al Wolfson, genannt Lobo (spanisch: Wolf), ist jetzt Sheriff in Alamosa. Da wird ein farbiges Paar gefunden, grausam gelyncht. Alles deutet auf den Ku-Klux-Klan hin, aber den gibt es seit 1871, also seit sieben Jahren, nicht mehr. Trotzdem grassiert sofort die Angst in dem kleinen Städtchen, das kaum mehr als ein Stützpunkt zum Bau der Denver & Rio Grande Western Railroad ist. Selbst Father Fairbanks führt in der Kirche "Apartheid" ein. Die Stimmung schlägt gegen den Sheriff, der nicht nachlässt in dem Bemühen, die Morde aufzuklären, um. Er wird abgesetzt. Doch Lobo ist entschlossen, dem KKK auf die Spur zu kommen. Verbündete findet er nur in der Indianeragentin Jenny und dem Farmer, bei dem die Ermordeten beschäftigt waren. Wie gut, dass Piercington, der lokale Boss der Eisenbahngesellschaft, viel über den Klan weiss - er wird von entscheidender Bedeutung für die Aufklärung des Falles sein.

Wie gesagt, Bongardt besticht durch eingängigen, flüssigen  Schreibstil. So bemerkt man vor Spannung kaum die inhaltlichen Mängel.
 Kurz gesagt, verhalten sich die handelnden Personen eher wie 21., als wie 19. Jahrhundert. Eine weibliche, unverheiratete Inianeragentin, die noch dazu eine uneheliche Beziehung zum Sheriff unterhält - das ist schon starker Tobak. Zudem möchte sie nicht Ma'am, sondern Jenny genannt werden. Speck und Bohnen sollten Al und Jenny übrigens besser löffeln; eine Gabel ist nicht nur unpraktisch, sondern im Wilden Westen noch so gut wie unbekannt. Zu dieser Zeit begann das Essinstrument sich gerade in den einfachen Schichten Europas durchzusetzen. Ich empfehle auch nicht, aufgrund von Al Lobos Angaben das Schießen zu erlernen oder Rinderzucht zu betreiben. (Solche Schnitzer pflege ich auch anderen anzukreiden, also kann ich sie hier nicht verschweigen.)

Sharon de Winter "Margarets Fluch"

amazon Kindle eBook 

€ 2,99

http://www.amazon.de/Margarets-Romantik-Thriller-Unheimlich-ebook/dp/B009K72VSS/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1355584796&sr=8-1

Hach, das Autoren-Pseudonym! Ja, das ist "Frauenroman" in Reinkultur.

Ausgewiesen ist das Buch als Romantik Thriller.  Nun, er bietet der Hausfrau ungefähr so viel Aufregung, als wenn die Kinder eine Viertelstunde zu spät aus der Schule kommen. Die Handlung ist vorhersehbar, die Spannung hält sich in engen Grenzen. Es liest sich eben weg -  angenehm, aber ohne überraschenden Wendungen: 220 V Gleichstrom. Also genau das, was Romanheft-Leserinnen lieben und erwarten. Im übrigen ist "Margarets Fluch" einwandfrei geschrieben und sprachlich nahezu makellos.  Und selbstverständlich kriegen sich die beiden am Ende ...

Die Handlung wurde in ein altes Nonnenkloster nahe der schottischen Grenze verlegt. Dort findet die schwangere Larissa, nachdem sie sich mit Steven, dem Vater des Kindes, überworfen hat, eine Anstellung als Gesellschafterin und Pflegerin einer alten Dame, Mrs Pauley.
Sie hat es wunderbar getroffen; wenn da nur nicht das Hausgespenst wäre: Margaret von Battle wurde vor Jahrhunderten als "ledige Mutter" in ebendiesem Kloster eines Kindes entbunden, das sofort nach der Geburt getötet wurde. Die Äbtissin hatte keine Wahl, als den Befehlen der Grundherren, derer von Battle, zu folgen. Margaret verfluchte darauf das Kloster mit allen Insassinnen. Das Originelle ist daran, dass der Fluch vollste Wirkung hatte - alle Nonnen, alle Schülerinnen starben - im Ort redet man heute noch von einer rätselhaften Seuche. Auch die Familie der unglücklichen jungen Edelfrau stirbt aus.
Und der Fluch wirkt über die Jahrhunderte hinweg - Margarets Baby ist in höchster Gefahr. Steven, der wieder auftaucht und von Larissa in Gnaden aufgenommen wird, ist übrigens der einzige Mann, von dem ich je gehört habe, dass er solcher Spökenkiekerei zugänglich wäre.



Dienstag, 4. Dezember 2012

Rezension: Schuldig! Ein Kommissar-Hartmann-Krimi

Jens R. Willmann "Schuldig!"

(Kommissar Hartmann-Serie)

amazon Kindle eBook € 3,08

http://www.amazon.de/Schuldig-Krimireihe-Hartmann-ebook/dp/B008BSYVXK/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1354641126&sr=8-1

als Hörbuch-Download €;9,95

http://www.amazon.de/Schuldig-Wuppertal-Krimi/dp/B008KO39QA/ref=sr_1_3?ie=UTF8&qid=1354641126&sr=8-3


Mit kritischem Wohlwollen:


Die Kommissar-Hartmann-Reihe sind Wuppertaler Lokal-Krimis. Die vier Bücher sind bereits vor Jahren als Print erschienen - produziert in verschiedenen Pseudoverlagen. Nun sind sie zu einem vernünftigen Preis für den Kindle erhältlich.


Der Einstieg ist für den Leser schwierig zu verstehen. Ein Mann - es heißt viele Seiten lang immer nur "er" - tötet einen anderen Mann. Er tötet ihn nicht irgendwie; er foltert ihn zu Tode. Mit voller Absicht und nach sorgfältiger Planung. Die umständliche Beschreibung soll möglicherweise die akribische Vorbereitung des Verbrechens reflektieren, aber etwas Auflockerung und Gliederung hätte hier aufwertend gewirkt. Da wo andere, um schnell viele Seiten zu füllen, zu viel des Guten tun, nämlich bei den Absätzen, wurde bei "Schuldig!" zu sehr gespart. Die Formulierungen lassen Klarheit vermissen, die sprachliche Umsetzung ist mittelmäßig. Zuweilen weiß der Leser beim besten Willen nicht, was der Autor ihm jetzt sagen will. Über inhaltliche Mängel will ich mich nicht weiter auslassen, erspare mir auch Beispiele; nur so viel: sie sind reichlich vorhanden.


Nachdem ich das Buch durchgelesen hatte, habe ich den als furchtbar empfundenen Anfang nochmals angesehen, und stellte erstaunt fest, dass er gar nicht so schlimm ist, wenn man die Handlung kennt. Leider hilft dies dem Leser überhaupt nicht, der das Buch zum ersten Mal vor sich liegen hat.


Nach diesem ungünstigen Einstieg kommt es zu einem auffälligen Bruch - und zwar in handwerklicher Hinsicht. Der Text wirkt plötzlich wie von einer anderen Person geschrieben. Es wird spannend, die Dialoge sind lebendig und unterhaltsam, die Psychologie stimmt. Insbesondere die weiblichen Protagonisten sind - bei einem männlichen Schreiber eine Seltenheit - realistisch entwickelt.


Kommissar Hartmann, der den Foltermord und bald darauf weitere Fälle zu bearbeiten hat, gilt unter Kollegen als harter Hund. Der Leser lernt ihn aber ganz anders kennen. Hartmann gelingt die emotionale Trennung von der Arbeit nicht, die für den Beruf eines Kriminalisten unerläßlich ist. Hinzu kommen private Kalamitäten , so mit seiner "Problemtochter" aus erster Ehe. Alles wird ein bißchen viel, vielleicht bahnt sich auch eine Midlife Crisis an? Waren Hartmanns Methoden schon zuvor eher unkonventionell, steigt er nun völlig aus. Nachdem er volltrunken mit der Dienstwaffe herumgefuchtelt hat, wird er suspendiert. Hartmann jedoch ermittelt auf eigene Faust weiter und kommt dem Täter und einer Lynchmord-Organisation auf die Spur. Mehr sei nicht verraten.

Ohne Wuppertal zu kennen, rein vom Gefühl her würde ich sagen: es hätte ruhig ein wenig mehr Lokalkolorit sein können. Denn davon lebt ein Regionalkrimi. Fazit: Der Autor hat einen ordentlichen Brotjob und schreibt nur nebenberuflich - das ist  gut. Dennoch hat er eine originelle Idee zu einem letzendlich passablen Roman verarbeitet. Trotz der deutlichen Mängel würde ich weitere Kommissar-Hartmann-Bücher lesen.

Montag, 3. Dezember 2012

Rezension "Großstadtsommer" von Jan Siefen

Jan Siefen "Großstadtsommer"

€ 9,95    127 Seiten

Blauband Verlag GmbH 2011

als Kindle eBook € 7,62

http://www.amazon.de/Gro%C3%9Fstadtsommer-ebook/dp/B008TSCZ9E/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1354581271&sr=8-1

Es handelt sich hier um ein typisches Werk eines Neulings, eines Indie-Autoren. In faszinierender Frische wird Ungewöhnlichkeit zelebriert - es ist schwer zu entscheiden, ob es sich um Naivität oder Raffinesse handelt. Die Sprache ist einfach, aber nicht simpel. Am Wortschatz und der Schilderung des Handlungsablaufes gibt es wenig auzusetzen - gelegentlich ist die Ausdrucksweise etwas ungelenk.  Das gesamte Buch ist im Präsenz geschrieben, was kein Verbrechen, aber zumindest gewöhnungsbedürftig ist. Minutiös wird völlig Belangloses beschrieben, man fragt sich viele Seiten lang: "Worauf will der Schreiber hinaus? Wann kommt nun endlich die Pointe?" - aber es erfolgt keine Lösung. Beschrieben werden völlig banale Gedanken und Handlungen eines nicht ganz gewöhnlichen Menschen, den wir lediglich als P. kennenlernen. Der Ort der Handlung ist mit hohem Wiedererkennungswert beschrieben, aber der Name der Stadt wird nicht genannt. Und so setzen sich die seltsamen Widersprüche immer fort. Die Bezeichnung Roman ist hier fehl am Platze, denn dazu bedarf es eines schlüssigen Plots, eines  abgerundeten Szenariums. Trotzdem ist das Buch durchaus lesenswert. Es besticht auch durch sparsam eingesetzten subtilen Humor.
P. ist ein Tolpatsch und Unglücksrabe, aber auch ein Grübler, der es weder sich noch anderen leicht macht. Manchmal  hat er groteske Züge. Zeitweise konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, ein Autist versucht durch Situationstrainig in diesem Leben zu bestehen.  Andererseits kann P. mittels gesprochenen Wortes Menschen manipulieren - als Streitschlichter wie als unterhaltsamer Partygast.
P. fliegt zu einem Bewerbungsgespräch. Auf den Eignungstest bereitet er sich vor, indem er jene Antworten auswendig lernt, die seiner Meinung nach den besten Eindruck machen. Er hat mehrere Anzüge mitgenommen, um kurzfristig zu entscheiden, welcher davon ihm Glück bringen wird. Kurz und gut, P. ist eine merkwürdige Persönlichkeit. Die neue Firma hat seine Bewerbungsunterlagen verwechselt oder verbummelt - oder hat P. selbst die Sache verschusselt?  Es gelingt ihm nicht, Irrtümer auszuräumen - er macht einen denkbar schlechten Eindruck. Schließlich zieht er die Bewerbung zurück, woraufhin man ihm doch wieder Hoffnung macht. Es grenzt an ein Katz-und-Maus-Spiel der Firma mit dem Bewerber.
Im Hotel verschwindet P.s Gepäck, der Leihwagen ist Schrott - P. scheint tatsächlich das Unglück anzuziehen. Doch schließlich entwickelt sich die Handlung sogar noch zur Liebesgeschichte mit Aussicht auf ein Happy End.
Der Titel ist etwas irreführend, denn die Handlung spielt sich an nur drei "Großstadtsommer"-Tagen ab.
Eine Wertung fällt diesmal wirklich schwer. Aber ich denke, der potentielle Leser weiß nun, worauf er sich gegebenenfalls einläßt.