Dienstag, 23. Februar 2021

 Als Leseprobe habe ich den Schluss des ersten Kapitels ausgewählt.

Cindy Reemer war, nachdem sie Opfer eines Mordversuchs geworden war, von "ihrer" Insel Wodewitt geflohen, und kehrt nun mit Philipp, ihrem neuen Bekannten, dorthin zurück. 


Unsere Aufmerksamkeit wurde jetzt auf einen bejahrten weißen Lieferwagen gelenkt, der neben uns hielt. Ein alter Bekannter stieg aus, und plötzlich wurde mir warm ums Herz. Ich fühlte mich mit einem Mal zu Hause! Der Fahrer des Transporters war kein anderer als Skippie, der Besitzer des Kutters, der dort am Steg vertäut lag. Er versorgte die Wodewitter mit Lebensmitteln und allen Waren des täglichen Bedarfs, Post und Zeitungen, und seine „Windsbraut“ war zugleich das Fährschiff, das Passagiere zur Insel und zurück beförderte.

Ein Hauch von Wiedererkennen zuckte auch über Skippies Gesicht, als sein Blick mich kurz streifte. Er tippte an seinen Mützenschirm und stieß ein knappes „Moin!“ aus.

Mit leichter Verzögerung, die norddeutschen Gepflogenheiten nicht mehr gewohnt, erwiderte ich den Gruß. Irgendwie kam ich mir immer noch komisch vor bei diesem „Moin!“ zu jeder beliebigen Tageszeit. Obwohl ich inzwischen gelernt hatte, dass es nichts mit „Guten Morgen!“ zu tun hatte.

Guten Morgen!“ sagte Philipp, obwohl die Uhr auf halb zwölf zuging. „Sind Sie der Käpt'n hier?“

Skippie Bollhagen nickte. „Jo - ?“

Fahren Sie nach Wodewitt?“

Aber ja“, warf ich ein, leicht verärgert. „Das ist Kapitän Bollhagen.“

Ich kannte mich hier aus. Er musste sich jetzt nicht in den Vordergrund schieben. Philipp streifte mich mit einem nicht sehr freundlichen Blick. Das konnte ja heiter werden. Sollte unsere gemeinsame Zeit auf Wodewitt etwa mit einem Streit beginnen?

Wir mussten uns noch fast eine Stunde gedulden, bis Skippie die Persenning* entfernt, sowie die Ladung an Bord gebracht und verstaut und verzurrt hatte. Anschließend kam unser Gepäck an die Reihe. Als alle Arbeiten beendet, und der Kutter endlich seeklar war, durften wir an Bord kommen. Eine Landungsbrücke gab es nicht, oder Bollhagen hatte keine Lust, sie für lediglich zwei Passagiere auszulegen. Er reichte mir die Hand, und ich bemühte mich, zu springen, wenn sich das Schiff im leichten Wellengang des Hafenbeckens mir entgegen hob. So ganz gelang mir das nicht, und beim Aufkommen knickte ich auch noch mit dem Fuß um.

Doch Bollhagens starker Arm hielt und führte meinen zaghaften Sprung so sicher, als hätte ich an einer Stahlschiene gehangen. Urplötzlich schwindelte mir. Wie durch eine Nebelwand registrierte ich hinter mir das Geräusch, als auch Philipps Füße an Deck aufkamen.

Bollhagen musste meinen tranigen Zustand bemerkt haben, denn er setzte mich resolut, und ohne ein Wort zu sagen, auf die Bank am Heck des Schiffs. Dort kam ich langsam wieder zu mir, aber nur um zu bemerken, wie alles um mich her schwankte; und mir meinen vorherigen benebelten Zustand zurückzuwünschen. Philipp setzte sich zu mir, er schien nicht mehr länger verstimmt zu sein.

Gemeinsam beobachteten wir, wie der Skipper den Anker hievte und die Achterleine* losmachte und einholte. Er schien im Ruderstand noch verschiedenes zu prüfen, dann ließ er den Schiffsdiesel an, und der eiserne Rumpf erzitterte unter den Vibrationen des Motors. Bollhagen machte die Vorleine* los und holte sie ein. Das Boot begann sich langsam vom Steg wegzudrehen und ich bekam es mit der Angst, denn Bollhagen war immer noch mit dem Tau beschäftigt. Doch er bewegte sich flink und gewandt wie ein Filmpirat und schon im nächsten Moment nahm er seinen Platz am Ruderstand ein. Die „Windsbraut“ begann, langsam vorwärts zu gleiten. Wir lösten uns endgültig vom Steg, und in weitem Bogen verließen wir den kleinen Hafen, um nach Wodewitt überzusetzen. Ein neuer Abschnitt in unserem Leben begann.

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